Einen Moment...

Was wirklich danach geschah

homo.net Info vom 23. Januar 2020
von Webmaster Jan

 

Schwule lieben Oper. Angeblich schon seit 420 Jahren, seit 1600 Jacopo Peri mit Eurydike die erste authentische, bis heute überlieferte, Oper aller Zeiten komponierte. Deshalb erschien jetzt ein schwuler Opernführer: „Casta Diva“. Das heißt auf Deutsch so viel wie: „Keusche Göttin“, nach der berühmten Arie der Norma von Vincenzo Bellini. Die hat mit Homosexualität so viel zu tun wie der Rest des Buches, nämlich gar nichts. 50,- Euro, die Du Dir aus schwuler Sicht sicherlich sparen kannst und solltest.

Die wenigen echten Männerfreundschaften in Opern sind alle eher Blutsbrüder und Kampfgefährten statt Bettgenossen. Erst 1995 wurde der Bürgermeister von San Francisco, Harvey Milk, zum ersten richtig schwulen Opernhelden. Dabei hätten die Metamorphosen des Publius Ovidius Naso, auf Deutsch kurz und praktisch Ovid genannt, viele schwüle Vorlagen geboten. Mindestens 20 griechische Götter treiben es darin mit dem gleichen Geschlecht, so wie manch andere bekannte Person.

Besonders sein Sänger Orpheus hat es den Opernkomponisten immer wieder angetan. Von Jacopo Peri 1600 bis zuletzt John Robertson 2015 wurde der Stoff bis heute mindestens 71 mal veropert. Meine Zählung ist da sicher nicht komplett, denn viele Werke sind inzwischen unbekannt oder verloren.

Anfangs ist die Geschichte 71 mal die gleiche. Der berühmte Sänger Orpheus findet sich nicht mit dem Tod seiner geliebten Gattin Eurydike ab und will durch virtuoses Harfenspiel und Steine erweichenden, göttlichen Gesang ihre Auferstehung durchsetzten. Er schreckt vor nichts zurück und dringt, Arien schmetternd, erfolgreich in die Unterwelt ein.

Erst nach der Wiederbelebung seiner besseren Hälfte weichen alle Opernfassungen ausnahmslos von der Vorlage des Ovid ab. Meist stirbt Eurydike nach kurzer Reanimation endgültig und der Chor trauert. Gelegentlich stirbt Orpheus vor Gram gleich mit und der Chor trauert noch mehr.

Bei Christoph Willibald Gluck, ab 1756 Ritter von Gluck, lässt der aus dem Nichts erscheinende Knabe Amor Gnade walten und die Oper glücklich enden. Deshalb ist seine Fassung wohl auch die bekannteste und beliebteste.

Bei Jakob Offenbach aus Köln, besser bekannt als Jacques Offenbach aus Paris, mischt sich im entscheidenden Moment Jupiter mit lautem Knall in die Handlung ein. Er will Eurydike für sich selber haben, als seine Saufkumpanin und Mätresse. Die Öffentlichen Meinung tritt in Persona auf und ist nicht erfreut. Ähnlich wie die Queen, wenn der Nachwuchs sich daneben benimmt.

Der (Schla-)Wiener Franz Joseph Haydn nutze den Stoff für seine allerletzte Oper. Er wollte wesentlich mehr vom ovidschen Text retten und komponierte kurz vor Schluss ein wildes Bacchanale. Heute würde man dazu Orgie mit Saufgelage sagen. Das ging den Zeitgenossen zu weit. Das Machwerk wurde verboten und erst 1951 uraufgeführt.

Claudio Monteverdi, plante schon 1607 ein Libretto mit ähnlichem Ende. Um doch aufgeführt zu werden, wiedervereint Apollo in der endgültigen Fassung die Liebenden im Reiche der Schatten, durch Ableben auch des Gatten. Duett mit Apollo und Apotheose ersetzen das gestrichene Bacchanale.

Was wäre passiert, wenn auch nur ein Komponist es gewagt hätte, die Geschichte vollständig zu erzählen so wie Ovid sie berichtet hat? Schrecklich. Nicht vorstellbar. Skandalös.

Wie geht die Geschichte also bei Ovid tatsächlich weiter?

Orpheus kommt aus dem Hades alleine zurück und trauert. Lange. Auch der Chor trauert. Kurz. Dann feiern die Frauen wilde Feste und Orgien um den berühmten Sänger zu verführen und für sich zu gewinnen. Jede gegen jede. Wie wir aus der Spieltheorie kennen, kann das nicht gut gehen. Der Sänger verschmäht alle und bleibt solo. Chor der klagenden Weiber über die erlittene Abfuhr durch den Titan der Bühne.

Aber alles hat ein Ende, auch die übermenschliche Trauer des Orpheus. Nach drei Jahren ist er über Eurydikes Ableben endlich weg und verliebt sich aufs neue. In einen Mann! Fortan arbeitet er nicht mehr nur als Sänger sondern nutzt seine Berühmtheit als Aufklärer und Botschafter über schwulen Lebensstil.

So leben sie als schwules Paar glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Singend wird er an seinem letzten Tag von in verehrenden, liebenden Pflanzen überwuchert und vereinigt sich mit der Natur zum Baum. Die weichen Steine weinen vor Glück. Das Publikum weint mit. Apotheose. Schlusschor der seligen Pflanzen. Ende. Was für ein Finale!

Du glaubst es nicht? Schlag nach bei Ovid. Mindestens 71 auch deutsche Übersetzungen der Metamorphosen sind im Internet leicht zu finden. 10. Buch, Verse 1 bis 105: „Er gab Vorbild auch den thrakischen Stämmen, dem zarten Männergeschlecht in Liebe zu nahen. Und die Blüte der Jugend und den vergänglichen Lenz vor dem Jünglingsalter zu pflücken.“

Die Thraker waren entzückt und folgten massenhaft seinem Beispiel. Kein Latein Lehrer hat je die ganze Geschichte übersetzen lassen. Im nächsten Leben werde ich deshalb nicht Webmaster sondern Opernkomponist. Und dann gibt es endlich griechische Götterdämmerung mit mindestens 20 schwulen Göttern nach Vorlagen von Ovid.

Lang lebe die Oper,
Jan
Webmaster
vom homo.net Team

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